Unsere ideellen Fundamente

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1. Unsere Geschichte

Dies ist kein herkömmliches Konzept, kein Leitbild, sondern ein Rückblick auf den Weg, den wir gegangen sind, und auf dem wir uns befinden. Es ist eine Erzählung der Geschichte unserer Erkenntnisse, wobei auch das Wort „Erkenntnis“ das uns Wesentliche nur unzureichend auszudrücken vermag.

Üblich hat man Konzepte, bevor man sich auf den Weg macht, „Landkarten“ mit klaren Zielen und Wegabschnitten. Unser Weg war anderes, denn wir waren uns vorher nicht klar, wohin uns die „Reise“ führen wird. Der Weg wuchs erst mit dem Gehen, wuchs auf Umwegen und manchmal auch durch Umkehren. Rückblickend ist uns bewusst geworden, wie das Gehen uns selbst verändert hat. Manche Wegabschnitte konnten wir erst schaffen, nachdem wir selbst das geworden waren, was wir dazu benötigten.

Diese Bereitschaft, sich durch das Gehen verändern zu lassen, immer wieder aufzubrechen, und weiterzugehen, auch wenn man erschöpft ist und der Mut schwindet, ist die Bedingung für Lebendigkeit. Lebendige Entwicklung ist das oberste Ziel von Pädagogik und Therapie. Darin wollen wir selbst das Modell für unsere Kinder sein, ihren eigenen schweren Lebensweg zu gehen und sich durch Enttäuschungen nicht entmutigen zu lassen.

Auf diesem Weg gibt es auch die Gefahr, sich an einem sicheren Ort niederzulassen. Unser „Konzept“ ist kein statisches Konzept. Es ist der Versuch, Erkenntnis in Worten und Bildern auszudrücken, die uns auf unseren Weg des Lernens wesentlich wurden.

2. Unsere Wurzeln 

Confido zu wagen, wuchs in vielen persönlichen Begegnung mit dem Leid schwer traumatisierter Menschen. Der innerste Kern unser Motivation war das Erleben der eigenen Ohnmacht gegenüber den dunklen Mächten, denen die Betroffene ausgeliefert waren, die oft über Generationen hinweg wirken. Diese Ausgeliefertheit zerstört das Vertrauensfundament dieser Menschen. Wir mussten auch erleben, dass mit dem Älterwerden die Chancen abnehmen, sich aus diesem Teufelskreis befreien zu können, was uns bewog, Kinder in den Mittelpunkt zu stellen, um die Spätfolgen von frühen Traumen abwenden, zumindest abmildern zu können.

In dieser Arbeit mit traumatisierten Menschen ist uns bewusst geworden, dass weniger die Art des Traumas die Auswirkungen bestimmt, sondern mehr das Alter und die Umstände, in dem die Traumatisierung erfolgt. Traumen in späteren Lebensjahren, wenn bereites ein stabiles Ich vorhanden ist, haben andere Folgen als Traumen in Entwicklungsphasen mit einer hohen Verletzlichkeit. Auch sind die Folgen milder, wenn Helfer und Verbündete vorhanden sind. Schädigungen der „Fundamente“ beeinträchtigen den Bau des Lebensgebäudes nachhaltig. Gut formuliert wurde dies von dem Psychoanalytiker Hans-Joachim Maaz:

Diese drei Wissenschaften (Psychoanalyse, Säuglings- und Kleinkindforschung, Hirnforschung) lassen keinen Zweifel daran, wie wichtig der elterliche Einfluss in den ersten Lebensjahren für die weitere und grundsätzliche Entwicklung des Kindes ist. Sicher kann sich ein Mensch sein ganzes Leben lang weiterentwickeln und verändern, aber die frühen Erfahrungen zu überwinden, zu relativieren oder gar in ihrer Bedeutung unwichtig werden zu lassen, bleibt sehr schwierig, sehr aufwendig und teilweise auch unmöglich. Deshalb muss man die Feststellung, dass sog. „Frühstörungen“ im Grunde genommen unheilbar sind, höchstens in ihren Folgen gemildert werden können, mit Bitterkeit zur Kenntnis nehmen und der Prävention die wesentlich größere Bedeutung und Wirksamkeit als der Therapie einräumen.
(H. J. Maaz 2010: Mütterlichkeits- und Väterlichkeitsstörungen und ihre Folgen für die Entwicklung von Kindern)

3. Unsere Absicht

Mit dieser negativen Prognose frühgestörter Kinder wollten wir uns nicht abfinden. So reifte der Entschluss, nach Möglichkeiten zu suchen, traumatisierte Kinder wieder ins Leben zu holen. Doch wie konnte dies aussehen?

Wesentliche Anregungen erhielten wir von traumatisierten Menschen selbst, die sich mutig auf den Weg gemacht haben. In vielen Gesprächen wurde uns klar, dass wir dieses hohe Ziel: Traumen nicht nur zu mildern, sondern auszuheilen, nicht im Rahmen eines herkömmlichen therapeutischen Settings erreichen können, sondern andere Kräfte erforderlich sind, die nicht an den Symptomen, sondern an den Ursachen ansetzen.

Die innerste Ursache ist der Verlust der Vertrauensfähigkeit – Traumen zerbrechen das Urvertrauen in das Leben. Dieses Lebensfundament wieder zu heilen, ist das übergeordnete Motto unseres Weges, das wir im Namen Confido (ich vertraue) umgesetzt haben. Nur wenn es gelingt, dass das Kind wieder Vertrauen fassen kann, zu sich, zu anderen Menschen, zur Welt und zu seiner eigenen Entwicklung, kann der Bannfluch des Traumas gebrochen werden.

Dieses Ziel ist schnell formuliert, doch wurde uns klar, dass die Umsetzung nicht einfach organisiert werden kann und auch ein Baukasten an therapeutischen Techniken nur am Rande wirksam ist. Es sind andere Kräfte erforderlich, die so nicht in den Lehrbüchern stehen. Traumen wirken vor allem im Unbewussten, in den Kellergeschossen, wie es traumatisierte Menschen bezeichnen. Dies macht es auch so schwer, sie zu beeinflussen, denn eine bewusste Sprache dringt kaum in diese Bereiche vor und hat bei Kindern nur eine geringe Wirkung. Wir brauchen andere Zugangswege ins Unbewusste.

4. Unsere Verantwortung

Achtung: nun wird es etwas philosophisch. Pädagogik und Therapie haben den radikalen Auftrag, das Kind bei seiner Entwicklung zu unterstützen, um erwachsen zu werden. Erwachsenheit ist das Ziel.

Sokrates hat die Erziehung der Kinder mit der Hebammenkunst verglichen, da seine Mutter eine Hebamme war. Sein Ziel war, den Kindern wie einer Hebamme beizustehen, so dass das in ihnen angelegte Leben geboren wird und sich entfalten kann. In diesem Sinne sind die Familie, die Gesellschaft und darin die wesentlichen Beziehungen, die Gebärmütter, worin dieses Leben heranreift.
Sieht man von dieser Warte aus auf psychische Störungen, dann findet man als Kern, eine Entwicklungsstörung allgemein und speziell des Übergangs vom Kind zum Erwachsenen. Damit stellt sich jedem, der für Kinder Verantwortung übernommen hat (Eltern, Verwandte, Erzieher, Lehrer, Therapeut …) die unausweichliche Frage: wie kann Entwicklung gefördert und wie können Entwicklungsblockaden aufgelöst werden und das Leben wieder ins Fließen kommen?

Wann ist jemand erwachsen?

Erwachsen ist ein Mensch in dem Maße, wie er Verantwortung übernimmt, für sich, für andere und für die Welt. Wer Verantwortung übernimmt, der ist mündig. Damit stellt sich die Frage, warum Entwicklung ins Stocken gerät und warum Lebendigkeit nicht als unendlich hoher Wert erkannt wird, wie wir dies noch bei Kindern erleben können?

Lebendigkeit und Verantwortung sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Leben wächst im Garten der Verantwortung und ohne Verantwortung gibt es kein Leben geben. Leben ist gleichsam die Frucht der Verantwortung. Doch ist diese Frucht nicht einfach zu ernten, denn sie wächst am eigenen Lebensbaum. Verantwortung fordert in einer ganz anderen Weise, als sich für etwas zuständig zu fühlen, oder eine Pflicht vertraglich zu vereinbaren.
Wofür man verantwortlich ist, wird zum Teil des eigenen Lebens und der eigenen Person. Verantwortung kann man nicht am Ende der Arbeitszeit oder des Dienstes weglegen, sie wird Teil der Gedanken und Gefühle, man nimmt sie mit ins Bett und in seine Träume; sie füllt die Gespräche und bestimmt die Beziehung. Verantwortung ist eine besondere Weise des Daseins, bessert ausgedrückt: sie wird zum Teil des eigenen Wesens.

Verantwortung fordert, belastet, man leidet mit dem anderen, doch ist sie auch die einzige Quelle der Freude. Wer Verantwortung übernimmt, der kommt in Kontakt mit dem Leben, er kann das Leben unmittelbar spüren. Er sitzt nicht auf der Veranda seines Lebenshauses und beobachtet distanziert das Leben draußen und kommentiert es von seiner erhabenen Position aus mit Ratschlägen – er muss sich nicht die Hände schmutzig machen. Wessen Wesen Verantwortung heißt, der kommt nicht nur mit dem Leben in Berührung, er wird selbst lebendig.

Verantwortung zu übernehmen erfordert anzupacken und sich die Hände schmutzig zu machen. Man ist am Abend müde. Rückschläge liegen auf dem Weg und oft auch der Hohn und Spott von der Veranda. Und doch wohnt der Verantwortung ein ganz eigener Zauber inne: das Leben. Verantwortung belohnt mit Lebendigkeit und Entwicklung, den einzig heilenden und heil machenden Zauberkräften. Eine weitere Zauberkraft ist mit der Verantwortung verbunden: sie ist der Weg in die Kompetenz, denn das, wofür man ganz da ist, was man liebt, das öffnet sich und zeigt uns seine wahre Schönheit. Verantwortungslosigkeit macht dumm.

Verantwortung kann man nicht anordnen, man kann sie nur werden. Verantwortung ist die blaue Blume im Land der Freiheit. Dies weist auch dem Pädagogen und dem Therapeuten seinen demütigen Platz zu. Er kann nur in die Freiheit locken (nach Sokrates, die Freiheit zu gebären) und damit in ein verantwortetes Leben. Doch ist damit eine unerbittliche Erkenntnis verbunden: nur der kann in die Freiheit locken, der selbst in diesem Land wohnt. Nur der kann die Sehnsucht nach diesem Höchsten erwecken, der selbst ein freier, das heißt ein mündiger und erwachsener, Mensch ist.

Verantwortung muss immer wieder gewagt werden, man muss mitten in sie hineinspringen. Wer dies wagt, dem wachsen geheime Kräfte zu, auch wenn er meint, dass er der Herausforderung nicht gewachsen sei.

Zum Abschluss dieser Gedanken, noch einen Blick auf die teuflischen Verführungen, der Verantwortung aus dem Weg zu gehen, oder Menschen dazu zu bewegen. Es sind Argumente wie: dafür bin ich nicht zuständig, was kümmert es mich, das kann ich nicht, dazu bin ich nicht ausgebildet, ich bin zu schwach, es macht mir Angst, ich habe keine Zeit, dafür sind andere zuständig usw.