Auf dem Weg zur Realisierung

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Ziel unserer Pädagogik sind kompetente und mündige Menschen, die Verantwortung für ihr Leben und das Leben der Gemeinschaft übernehmen. Neben den Säulen Pädagogik und Therapie, stehen für uns gleichrangig die Berufs- und Lebenspraxis. Zu unserer Verantwortung gehört, die Kinder auf das Leben vorzubereiten und ihnen das mitzugeben, was sie in der Zukunft benötigen. Verantwortung für das eigene Leben übernehmen zu können, erfordert berufliche und lebenspraktische Kompetenzen, die real geübt werden müssen, was nur gelingt, wenn sie auch unmittelbar erlebbar sind. Die Schwierigkeit ist, dass realitätsnahe Bedingungen wesentlich aufwändiger zu realisieren sind als die Gestaltung der Wohn- und Spielräume in einer Wohngruppe. Auch ergeben sich andere Anforderungen an die Mitarbeiter. Die Prägung beruflicher und lebenspraktischer Kompetenzen erfordert in diesen Bereiche selbst geprägte Mitarbeiter, die in diesen Berufen eine Ausbildung und Berufserfahrung besitzen.

1. Familienbetrieb

Das Ideal für die Umsetzung dieser Ziele ist für uns ein Familienbetrieb, in dem Arbeit und Leben organisch verzahnt sind. Hierzu haben wir eine Landwirtschaft und diverse Werkstätten aufgebaut. Um die berufliche Arbeitswelt möglichst realitätsnah abzubilden, haben wir uns nach außen geöffnet. Aufträge, Kunden und eine Gewinnorientierung schaffen die erforderlichen Rahmenbedingungen, in die auch unsere Hauswirtschaft und Haustechnik integriert sind. Anmerkung: es ist unser klares Ziel, der Gefahr einer Orientierung an den Prinzipien des öffentlichen Dienstes vorzubeugen, wie sie für viele Einrichtungen typisch ist. Eine realistische Prägung psychosozialen Einstellungen und Haltungen kann nur in einem Milieu erfolgen, das an betrieblichen Grundprinzipien ausgerichtet ist. Die Kinder müssen erleben, dass nicht alles selbstverständlich da ist. Das Erleben, dass alles, was man konsumiert, erarbeitet werden muss, dass der Erfolg ein Mehr und der Misserfolg ein Weniger an Möglichkeiten mit sich bringt, muss erlebbar werden, wie in einem Betrieb der freien Wirtschaft auch. Dazu müssen die Kinder / Jugendlichen für sie erlebbar in die betrieblichen Abläufe eingebunden werden. Sie müssen vor allem lernen, Verantwortung auch für das Ganze zu übernehmen.

Ale eine gefährliche Entwicklung sehen wir die Prägung einer staatliche Versorgungshaltung (Hartz-IV-Mentalität), wie sie oft bei den Herkunftsfamilien vorliegt, mit dem Abtreten der eigenen Lebensverantwortung an den Staat. Eine Gefahr besteht auch darin, das Heim als einen Lebensraum mit Rundumversorgung zu erleben.

2. Resilienz

Resilienz wird treffend als das Immunsystem der Seele bezeichnet. Es ist die psychische Widerstandskraft, schwierige Lebenssituationen und Rückschläge ohne anhaltende Beeinträchtigung zu überstehen. In der Pädagogik hat die Bedeutung der Resilienz in den Jahren zugenommen. Was nützen Fähigkeiten, die bei kleinen Erschütterungen instabil werden.

Auf unserem Weg ist uns bewusst geworden, dass psychische Stabilität nicht wie der Inhalte eines Lehrplans vermittelt werden, oder als Ziel in einem Hilfeplan vereinbart werden kann. Die Psychologie tut sich schwer, Methoden zu benenne, durch die die psychische Widerstandskraft gestärkt werden kann. Unsere Erfahrungen weisen in eine ganz andere Richtung. Resilienz ist keine Kompetenz, sondern hängt am Vertrauen, das eine Person in sich und in das Leben fassen kann. Resilienz ist ein anderes Wort für das Lebensfundament, auf dem das Lebenshaus steht. Ist dieses Fundament unerschütterlich fest, dann können es auch die Stürme des Lebens nicht erschüttern und es bleibt auch bei einem psychischen Erdbeben stabil. Ein anderes Wort für dieses Lebensfundament ist Urvertrauen. Die Erfahrung mit traumatisierten Menschen hat diese Erkenntnis immer wieder bestätigt. Misstrauen, in sich, in Beziehungen und in das Leben allgemein, ist der tiefere Grund für das Misslingen.

So stellte sich uns die Frage, wie wir dieses Urvertrauen, als das Immunsystem der Seele, stärken können. Wie gesagt, ist Vertrauen keine Technik und keine Kompetenz. Vertrauen wächst durch Vertrauen, ein anderes Wort für die Liebe zum Kind. Urvertrauen, als das große Vertrauen, wächst durch bedingungslose Liebe, das heißt, auch für das Kind da zu bleiben, auch wenn Probleme auftreten, die normal eine Entlassung rechtfertigen würden.

3. Arche

Am Ende dieser Gedanken ein Blick zurück zu unserem Fundament: die Beziehung zu unseren Kindern. Stellt man sich dieser „elterlichen“ und „familiären“ Beziehung und den sich daraus ergebenden Konsequenzen, dann ist man selbst in dieser Beziehung gebunden. Beziehung ist immer symmetrisch. Diese hat für uns erhebliche Konsequenzen: unseren Kindern wieder eine elterliche und familiäre Beziehung zu bieten, bindet uns in gleicher Weise. Freud hat dies technisch als Gegenübertragung bezeichnet, die in der therapeutischen Beziehung zeitlich befristet ist, die vorrangig an Erwachsenen ausgerichtet war. Bei einem Kind können die elterlichen, familiären und heimatlichen Übertragungen nicht einfach abgeschaltet werden. Eine elterliche Prägung wird in das psychische „Erbgut“ des Menschen geschrieben, die lebenslang bestehen bleibt. Gerade am Gelingen dieser Neuprägung hängt das Gelingen, wie es die Betroffene ausdrückt: „Wir müssen es auf anderen Wegen betreten, auf einer Brücke, die uns ein Mensch in seiner Liebe baut“.

Diese elterliche Bindung stellt uns in eine elterliche Verantwortung, die nicht mit dem Ende der Maßnahme, das heißt, der Einstellung der Kostenübernahme, endet. Daher ist es unsere Absicht, den Kindern, die keine Rückkehroption in ein Elternhaus haben, eine elterliche Fürsorge auch über die Maßnahme hinaus zu bieten, wie es im Normalfall Eltern tun. Diese Fürsorge umfasst die Verantwortung für die erste und die zweite Schwelle ins berufliche und soziale Leben und die Bereitschaft, unterstützend und auffangend bei Problemen da zu sein.

Besondere Probleme ergeben sich bei Kindern, die über keine soziales Netz verfügen und die auf Grund ihrer geringen Begabungen nur schwer auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt integriert werden können. Gerade für diese Kinder sehen wir in der Zukunft erhebliche Probleme. Wir haben uns dieser Verantwortung gestellt und Lebens- und Arbeitsbereiche gestaltet, die diesen Kindern ein Leben in Würde ermöglichen sollen, wie es früher in einem ganzheitlichen Lebenskonzept der Fall war.